68er Bewegung

Der Funkenwurf der 68er Bewegung

1968 war schon immer mehr als eine Jahreszahl. Eine Chiffre, welche für eine Dekade des gesellschaftlichen Wandels von der Mitte der 1960er- bis zur Mitte der 1970er Jahre stand, und bis heute mit Rebellion und Massenprotesten assoziiert wird.

Die 68er werden als eine «Zeit des Aufbruchs» beschrieben, was sich durchs Band auf allen gesellschaftlichen Ebenen manifestierte. Es passierte viel in diesen Jahren und die sogenannten «neuen sozialen Bewegungen» prägten viele Jugendliche. Darunter werden die zahlreichen verschiedenen Gruppierungen verstanden, welche sich für neue gesellschaftliche Themen stark machten. Die prägendsten darunter waren die Frauen-, die Friedens-, die Alternativ-, die Umwelt- und diverse Student*innenbewegungen. Die Forderungen zielten auf die Beendigung des Vietnamkrieges, auf Gleichberechtigung von Mann und Frau, auf Mitspracherecht und Solidarität sowie auch für eine Öffnung der Kunst und Kultur. Daraus entstanden aber auch viele weitere Bewegungen überall. Eine dieser Szenen setzte sich unter anderem für die Schaffung von Freiräumen für die junge Generation ein. 

Der Globuskrawall in Zürich bildete gewissermassen der Siede- und Kulminationspunkt der 68er-Bewegungen in der Schweiz. Junge Menschen forderten am 29. Juni 1968 die Eröffnung eines autonomen Jugendzentrums in den Räumlichkeiten eines leerstehenden Einkaufhauses an zentraler Lage und besetzten das Gebäude, worauf es gewaltsam von der Polizei geräumt wurde. 

Auch in Bern bahnte sich die «Rebellion unter Laubenbögen» an. In der Hauptstadt fehlte es an alternativen Treffpunkten. Das Café des Pyrénées platzte schon lange aus allen Nähten und auch die zahlreichen Gewölbekeller waren für die grossen Ideen der jungen Menschen in Bern zu eng und zu klein. Neben den vielen politischen Kundgebungen, Aktionen und Protesten, kochte auch in der Kulturküche der Topf langsam über. In Bern gab es keinen Platz für alternative Musik, Kunst oder Kultur. Kritische Töne in der Kunsthalle sorgten immer für rote Köpfe und für «neue Musik» gab es im Konzerttheater keine Bühne.

Anlässlich des ersten Berner Jugendfestes 1968 bildete sich das Aktionskomitee Berner Jugendhaus, welches den ersten Stein ins Rollen brachte. Es reichte beim Gemeinderat ein Gesuch zur Eröffnung eines Jugendzentrums an geeigneter Lage ein. Mit unerwarteter Offenheit stieg der Gemeinderat auf diesen Vorschlag ein und bildeten eine Arbeitsgruppe, welche aus den Verantwortlichen der Stadtverwaltung und den Jugendlichen des Aktionskomitees bestand. Nach 3 Jahren war es soweit. Der Gaskessel öffnete am 28. Oktober 1971 seine Tore. Die Nutzung wurde nach den Bedürfnissen der jugendlichen Aktivmitglieder aufgeteilt und so entstand neben einem Tanzkessel auch ein Diskussionskessel. Doch schon bald kam es zu internen Konflikten über Strukturfragen und die einzige angestellte Person wurde entlassen. Auch das Verhältnis zu den politischen Behörden war angespannt. Die mageren Subventionen reichten für wenig und so arbeiteten der jugendliche Vorstand sowie die Ressortleitenden ehrenamtlich. Der Betrieb des Gaskessels musste selbsttragend sein und sich fast gänzlich aus den eigenen Einnahmen finanzieren. Dies ging ein Jahrzehnt so weiter. In der Zwischenzeit entwickelte sich das Leben im Chessu. Es entstanden Zeitschriften wie das Flashback oder der Gasschnüffler, welche über Veranstaltungen, aber auch über gesellschaftskritische Themen berichteten.

Am 26. November 1983 schloss der Vorstand das Tor des Gaskessels wieder. Sie gaben ihre allgemeine Überforderung bekannt und suchten mit der Stadt nach neuen Wegen. Die Zunahme von Gewalt, übermässigem Drogenkonsum und sich häufenden internen Konflikte waren der Grund aber nicht alleinig das Symptom dieser Schliessung. Die fehlende Struktur und die knappen finanziellen Ressourcen machten den Betrieb eines Jugendzentrums dieser Grösse beinahe unmöglich. 

Nach Verhandlungen mit der Stadt, feierte der Gaskessel am 1. Mai 1984 seine Neueröffnung.

Mit neuen Strukturen, anderen Öffnungszeiten und mehr professionellen und finanziellen Ressourcen, startete der Chessu in eine ungewisse Zeit. Einige Jahrzehnte, nach etlichen Leistungsverträgen, strukturellen Anpassungen, neuen Statuten und zahlreichen Jugendgenerationen später schreibe ich hier einen Text und versuche kompakt alles Wichtige einzufangen. Natürlich schaffe ich dies nicht vollends und werde der langen Geschichte mit vielen Episoden nicht gerecht. Wer den Chessu kennenlernen will muss in seine Strukturen eintauchen und sie erleben. So fühlt mensch zuletzt auch noch das Feuer der 68er in sich aufflammen. 

Gaskessel. Here to stay since 1971 <3

kasimir schmucki

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